8 Jahre nach unserem ersten Kind, wurde unser jüngster geboren. Ein lieber süßer Kerl, der von allen in unserer Familie gemocht wurde. Für uns war er ganz “ normal“, aber von außen kamen schon bald wieder Kommentare.
„Warum will der nicht auf meinen Arm“? „Warum redet der immer noch nichts“? “ Der muss doch mal mit anderen Kindern ( außer seinen Geschwistern) spielen“! “ Ihr solltet den mal mehr zwingen, alles zu essen“!……..
Warum? Warum müssen wir unsere kleinen Kinder schon so verbiegen, das sie so sind, wie die Gesellschaft es gerade als gut befindet? Er ist doch ein lieber Junge, der glücklich und zufrieden ist, wenn er so sein Ding machen darf. Dies hat nichts damit zu tun, das er uns immer mehr rumkommandiert oder erpresst, das wir heute dies und morgen jenes für und mit ihm machen. Nein, wenn er jeden Tag die Dinge machen darf, wie er es auch gestern gemacht hat, ist alles gut.
Wir zeigen ihm ein neues Spiel, probieren es vielleicht aus und er entscheidet dann, ob er es wieder spielen möchte. Er bekommt etwas zu essen, spuckt er es aus, schüttelt sich vor Ekel, dann ist dies so ok und er braucht es nicht nocheinmal essen. Solange er auch gesundes isst, ist doch alles gut. Wir wußten nach und nach, das er normal nur weißes / beiges, grünes und manchmal rotes essen mag. Wenn es extrem riecht, geht es auch nicht. Lässt sich aber doch einrichten, also kein Problem. Warum sollten wir uns dadurch ein Problem machen lassen?
So lebten wir entspannt zusammen, bis er mit 4 Jahren in den Kindergarten gehen durfte.
Bei den älteren Geschwistern verlief dies recht gut. Sogar sein großer Bruder, der ja auch Asperger ist, konnte sich dort einleben. Er ging nie gerne, aber es diente der Vorbereitung auf die Schule, die ja zwang war.
So hatten wir es dann auch für den jüngsten gedacht. Aber er tat sich sehr schwer. Jeden Morgen die ersten Monate, bin ich für 1 Stunde mit ihm dort geblieben, damit er Zeit hatte, die anderen Kinder zu beobachten, alles abzuchecken und sich an alles zu gewöhnen. Er blieb dort, war aber mittags um halb 1 so müde, das der Tag gelaufen war. Auch nach Wochen, spielte er nicht freiwillig mit anderen Kindern, machte nur das, was ihm gesagt wurde und saß ansonsten in der Bauecke um Steine aufeinander zu Stapeln. Er konnte sich dann langsam an einen normalen morgen gewöhnen. Immer, wenn wieder mal etwas Neues Anstand, wurde es schwierig. Nach dem ersten Ausflug in den Wald, war er für 3 Tage krank. Damals dachten wir noch, er hätte sich erkältet, heute wissen wir, neues und Veränderung macht ihm Stress und Stress ihn krank. Aber außer, das die Erzieherinnen uns sagten, er wäre ja doch sehr schüchtern und er hätte keine Lust so vieles mit zu machen, kam nichts. Er sei ja ein schlauer, braver Junge, der noch Zeit braucht aufzutauen.
Die Einschulung nahte und uns wurde klar, wenn wir nicht wollen, das er zu gestresst ist, müssen wir möglichst viel vorher mit ihm einüben. Wir spielten auf dem Schulhof und gingen zum Schulfest in die Schule. Seine Geschwister spielten mit ihm Schule zuhause, damit er wußte, wie eine Stunde so abläuft. Seine Lehrerin kam einen Tag in den Kindergarten und einen Nachmittag sind die Kinder mit den Erziehern in die Schule um in Ruhe alles kennenzulernen. Wieder merkten wir, das er mit den vielen neuen Eindrücken irgendwie überfordert war. Wir konnten uns dies aber nicht erklären und bekamen überall nur die Antwort, “ das muss der können“!
Also auch hier wieder morgens Tränen bis zum Schulhof, dort zusammenreißen und mit in die Klasse gehen. Durchhalten bis er mittags endlich wieder nach Hause darf. Das lernen fällt ihm nicht schwer, da geht es ihm meist nicht schnell genug Vorwärts und er fragt mich, warum sie so oft, das gleiche rechnen oder schreiben müssen. Aber bis er sich auch in der Schule daran gewöhnt hat, wann was wer, wie macht, dauert es. Ab da geht es immer besser, nur wenn Veränderungen oder etwas außergewöhnliches passiert, wird er leicht krank und liegt dann für Tage krank im Bett. Auch seine kurz vor der Rente stehende Lehrerin, weiß nicht, was mit unserem Sohn wirklich anders ist. Sie zeigt Verständnis, hilft ihm viel, glaubt aber auch, ich sei schuld an seiner Schüchternheit. Er sei ja unser jüngstes Kind und ich würde wohl an ihm zu sehr Klammern.
Geklappt hat die Grundschule, weil die Kinder dort noch sehr behütet sind und von den Kindern nicht zuviel erwartet wurde, auch gab es nicht so viele Veränderungen. So konnte er sich an den Ablauf gewöhnen und darauf vertrauen, das es morgen auch wieder so ist. Dies hat sich am Gymnasium dann aber verändert und es wurde immer schwieriger.
Die Behauptung, wir Eltern seien schuld, mussten wir uns die letzten Jahre noch sehr oft von verschiedenen Menschen anhören. Es ist ja auch so einfach, ihr Eltern erzieht ihn falsch, fertig. Nie hat uns jemand darauf hingewiesen, das er eine Krankheit, Behinderung oder…. haben könnte. Er sei ja sehr schlau, also muss es an uns Eltern liegen. Wir müssten ihn einfach mehr zwingen, dann würde er es lernen.
Diese Einstellung von so manchem Lehrer auf der weiterführenden Schule, hat alles immer noch viel schlimmer werden lassen….