Die Genehmigung war noch nicht da, als Tom den ersten Schultag in der Webschule hatte. Im Vorfeld haben wir uns mit seinem neuen Lehrer schriftlich und telefonisch ausgetauscht, was für ihn am Anfang wohl möglich sein könnte. Welche Hobbys er hat, welche Ängste, welche Probleme in und durch die alte Schule bestehen…. . So haben wir noch nie einen Lehrer erlebt, der sich so einsetzt und helfen will, das er endlich in Ruhe lernen kann.
Damit Tom der Start nicht zu sehr überfordert, versuchten wir ihn gut vorzubereiten. Es galt Skype kennenzulernen, auch praktisch in eine Kamera zu reden. So skypten wir innerhalb unserer Familie. Jeder rief mal jeden an und man redete übers Wetter oder machte auch mal ein paar Matheaufgaben. So mit Menschen zu kommunizieren, war sehr schwer für ihn, aber er bemühte sich dies zu lernen.
Er durfte überlegen in welchem Raum er Unterricht machen möchte. An seinem Schreibtisch wollte er es nicht, denn sein Zimmer sollte eine schulfreie Zone bleiben. So suchte er sich unser Arbeitszimmer aus. Dort konnte er in einen Schrank seine Unterlagen legen und zum Unterricht auf den Schreibtisch seinen Laptop stellen.
Am ersten Tag mit seinem Lehrer war vereinbart, dass er ihm nur etwas über sich und die Schule erzählt und dann ihm die Räumlichkeiten mit der Webcam zeigt. Er brauchte nichts zu reden, sondern nur zuzusehen und hören. Aber auch dies war für ihn nach 20 Minuten so anstrengend, das er den Rest des Tages in seinem Zimmer blieb und sich erholte. Wir entschieden uns für die erste Zeit dazu, dass er 3x die Woche für 30 min Schule versuchen sollte. Dann einen Tag dazwischen Erholung oder das Wochenende.
Er bekam von seinem Lehrer morgens das Thema und die ersten Aufgaben im Chat geschickt. So konnte er sich dies schonmal, ansehen und darüber nachdenken, bevor er mit ihm chattet oder skypt. Für ihn ist es wichtig, das er nicht zu sehr mit neuem oder Veränderung überrascht wird. Aber trotzdem waren die ersten Tage sehr anstrengend. Nach den 30 min mit seinem Lehrer legte er sich meist noch einmal ins Bett und schlief. So viele neue Eindrücke, unbekanntes, so viele schlechte Erinnerungen die hochkamen, so vieles zu verarbeiten und dem neuen Lehrer vertrauen lernen… . Das kostet Energie, viel Energie. Deshalb war neben der Schule nicht noch viel anderes möglich. Er brauchte Zeit zum erholen und auftanken.
An manchen Tagen konnte er keinen Unterricht machen, an manchen nur für sich weitgehend alleine ein paar Aufgaben lösen, aber kein skypen und an anderen klappte es richtig gut. Es war ein ständiges auf und ab. Nur wußten wir alle nicht, was oder wodurch eine Überforderung ausgelöst werden konnte.
Einer von uns war jeden Morgen beim Unterricht dabei, damit wir einspringen konnten, wenn er überfordert war, aber nicht selber dann noch handeln konnte. Auch war es für ihn eine große Sicherheit, in der sonstigen neuen unbekannten Welt.
Uns viel damals auf, das er durch so viele Dinge überfordert wird, die für die meisten nicht relevant sind. Für normalos läuft das meiste nebenher, für viele Aspis ist jede Veränderung, alles neue, unbekannte ein zusätzlicher Reiz, der Kraft verbraucht. Da er alles bewußt lösen muss und nichts verdrängen kann oder es sich einfach im unterbewußten abspielt. Es war uns nicht klar, das obwohl er ja bei uns im Haus unterrichtet wurde, so viel Neues auf ihn einströmt, das er erst langsam kennenlernen musste. In jedem neuen Fach, musste man sich zurecht finden, die Themen kennenlernen, herausfinden, wie eine Unterrichtsstunde aussieht, wissen wann werde ich wie lange skypen, was könnte der Lehrer mich fragen, was soll ich dann antworten, wieviel reden, was ist, wenn ich etwas nicht weiß, was, wenn der Drucker nicht druckt….
Fragen, fragen, fragen….bis er sich halbwegs sicher wurde, kamen immer wieder auch Veränderungen von außen. Mal funktionierte das Internet hier nicht, mal in Bochum nicht. Mal sind Ferien oder Kinder haben eine Prüfung und der Unterricht fällt aus. Aber auch viele Dinge aus unserem Leben beeinflussen sein wohlfühlen. Wenn seine Lieblingsmannschaft im Fußball unvorhergesehen verloren hat, kann ihn das genauso überfordern, wie wenn er einen Arzttermin hatte oder sich verletzte oder etwas kaputt geht….
Alles, was nicht in seinem Tages- oder Wochenplan vorkommt, kann zuviel sein und er wird krank. Leider denken wir nicht immer an alles, können ja auch nicht alles vermeiden oder im Vorfeld ihm erklären. So müssen wir lernen damit umzugehen, dass er “ plötzlich“ doch wieder krank ist. Hier läuft halt nichts “ normal“, was es aber an der Webschule auch nicht gibt. Denn dort wird jedes Kind so unterrichtet, wie es für dieses Kind am besten ist.
Im Laufe der Wochen konnte die Lernzeit immer etwas gesteigert werden. Auch die Tage wurden von 3x skypen auf 5x erhöht, sodas langsam Routine einkehren konnte. Die hatten wir alle sehr nötig.
Aber immer wieder passiert etwas, das ihn zu sehr stresst und er wieder krank wird.
Schon im ersten halben Jahr, durften wir vieles erkennen, woran wir nie vorher gedacht hatten, was wir einfach als,- „das kann doch jeder“- angesehen hatten, was ihn aber doch sehr gestresst hat. Dies tat uns allen oft sehr weh und es war nicht einfach, nun uns darauf einzulassen, dies neue zu erlernen. Aber wenn man will, das sich mein Leben verändert, muss ich mich ändern, manches anders machen, nicht mehr machen….
Ein schwieriger Weg, der sich aber lohnte zu gehen, denn dadurch kam viel Ruhe und Freude in unsere Familie.