Heute will ich mal anhand von einigen Beispielen beschreiben, wie wir unser Leben entspannter gestalten. Die wichtigsten Dinge, die wir in dieser Zeit gelernt haben sind,- Geduld und passt die Dinge euch an.
Geduld ist sehr wichtig, da das Gegenteil, Druck, Hektik und Strafen, meist nur kontraproduktiv wirken. Wenn wir langfristig Fortschritte machen wollen und erleben, dass unsere Kinder entspannt, gerne und freiwillig viele Dinge machen, dann sollten wir es langsam angehen und dabei in kleine Abschnitte aufteilen.
Beispiel, jedes Jahr benötigen die Kinder ja neue Schuhe, sowohl durch die gewachsene Füße als auch der Wechsel von Sommer,- zu Winterschuhen. Dies gestaltete sich bei uns einige Jahre doch sehr schwierig. Es gab Geschrei, Overload’s, Verweigerung die neuen Schuhe anzuziehen, sie wurden in den Müll geworfen oder tagelang geweint, bzw einfach nicht das Haus verlassen… einfach gesagt, – es war für alle Beteiligten nicht schön.
Nach und nach haben wir es dann anders probiert. Wenn es um Schuhe ging, die noch passten, nur saisonal jetzt wieder rausgeholt wurden, habe ich ersteinmal darüber geredet, dass bald die Zeit kommt, wo man wieder dicke Schuhe tragen muss. Dann standen sie im Flur, so das er sie sehen konnte. Als nächstes habe ich ihn gefragt, ob er sie einmal kurz anprobieren kann, damit wir sehen, dass sie noch passen. Nur kurz und dann direkt wieder wegstellen. Auch habe ich Zeit gehabt, ihm zuzuhören, was er zu diesen Schuhen zu sagen hat,- wo der Schuh drückt-. Manche Dinge konnte ich dadurch verändern,- andere Schnürsenkel, die Schuhe putzen oder etwas weiten… . Bei vielem merken, dass sie ihm noch nie „gepasst“ haben, ich die ihm aber einfach aufs Auge gedrückt hatte, weil sie mir gefallen haben oder sie billig waren. Da viel mir auf, wie oft wir Dinge entscheiden, die nicht auf unser Kind in erster Linie ausgerichtet sind, sondern auf uns oder die anderen Mitmenschen, „da man das halt so macht“ oder, weil es alle so machen.
Damit wären wir auch beim zweiten,- alles möglichst so zu machen, wie es für den Autisten gut und passend ist und nicht für mich, die Schule, den Staat oder die Freunde…. warum sollte ich unser Kind dazu zwingen Schuhe zu tragen, die ihn drücken, er als unangenehm empfindet, die so zu viel Energie rauben…, nur weil „alle anderen“ das doch auch so machen? Wenn ich in Ruhe auf unseren jungen höre, was er für Schuhe tragen möchte, ihm Zeit gebe sich passende auszusuchen, ihn dafür vielleicht nicht in einen Laden quäle sondern er online schauen kann und wir dann 3 paar bestellen, damit er hier in Ruhe probieren kann. Wenn ich mich auf ihn, seinen Geschmack, Vorlieben und Gefühle einlasse, klappt es immer besser, als früher. Solche ausgesuchten Schuhe werden dann auch gerne getragen. Dies gilt natürlich genauso auch für alle anderen Bereiche. Kleidung, Essen, Hygiene, Hobbys, Schule, Freunde, Vereine, Feiern …. . Wie gehe ich damit um? Passe ich den Jungen den Menschen an oder darf er die Dinge sich anpassen?
Erwarte ich jeden Tag von Tom, dass er endlich lernt, dass man nicht nur in Trainingshose, aus dem Haus geht oder freue ich mich, dass er nun entspannt das Haus verlassen kann? Auch wenn Nachbarn und Freunde komisch gucken oder doofe Fragen stellen? Er fühlt sich darin wohl, es drückt und kratzt nichts, sie sind immer weich und gleich,- wunderbar. Es gibt sie in kurz und lang und fertig. Nie war Hosenkauf und das tragen so entspannt, wie jetzt. Ob er jemals noch mal andere tragen wird,- wir wissen es nicht. Aber selbst wenn eine Hochzeit oder Beerdigung anliegt, darf er damit gehen. Ich lege keinen Wert darauf „Etikette“ zu bewahren, die Hosen,- dies gilt natürlich auch für den Rest der Kleidung, sollten sauber sein und noch passen, fertig. So einfach kann es sein, wenn er entscheiden darf, was gut für ihn ist und nicht wir ihm was aufs Auge drücken, was wir meinen, dass man das so machen muss. Vor allem nicht, nur weil „die Gesellschaft“ dies so will.
Genauso ist es auch mit dem Kindergarten, der Schule oder der Freizeit… . Ich möchte, dass wir entscheiden dürfen, was gut für unseren Jungen ist und was zu viel,- bzw bei manchen Dingen ist es ok, wenn ein Arzt oder Psychiater bestätigen muss, dass Tom dies überlastet… Nur wenn man über Jahre darum kämpfen muss, dass er nicht mehr endlich lernen MUSS, sich der Schule anzupassen sondern Tom so lernen darf, wie es zu ihm passt. Dies verbraucht leider viel zu viel Energie, die nicht nur sinnlos ist, sondern sogar kontraproduktiv.
Wir Eltern können in Deutschland immer noch nicht über die Art und weiße des Lernens entscheiden. Darüber müssen wir mit Behörden mehr oder weniger kämpfen,- manchmal auch mit Psychologen, Psychiatern und Lehrern…, aber wir können den Rest des Tages entscheiden, wie er leben kann. Die vielen kleinen Dinge, wie Hosen, Schuhe, Hobbys oder Essen …, liegen doch in unserer Hand. Bei alldem sollten wir immer überlegen, warum meine ich, ist dies sooooo wichtig, es genauso zu machen? Was schadet es ihm, wenn er es anders macht? Entstehen dadurch bleibende Schäden oder eher genau andersherum. Schadet es ihm, wenn er es machen muss? Wer oder was ist mir bei der ganzen Sache wirklich wichtiger? Was die Nachbarn denken, die Familie oder mein Kind?
Natürlich kann und muss man bei manchen Dingen auch langfristig überlegen, was es schaden könnte. Nur haben wir leider auch dabei oft nur die Sicht von „Normalos“ und nicht von „Aspis“ im Sinn. Braucht oder will jeder Autist wirklich ständig mit Menschen zusammen sein, die ihn überfordern? Muss man Kirmes, Sportvereine oder Shoppingcenter mögen um glücklich leben zu können? Auch hier haben wir gelernt umzudenken. Heute fragen wir uns mehr,- was wollen wir wirklich? Ja, es ist gut, dass er schwimmen geht, aber er mag keine öffentlichen Freibäder, also haben wir einen Pool in unseren Garten gestellt. Einkaufen kann man auch online oder wir fahren zu Zeiten, wo kaum Menschen in den Geschäften sind. Dabei nehmen wir Rücksicht auf seine Aussagen, wo er zb das Licht zu grell findet oder der Geruch eklig ist… . Wenn wir möchten, dass er mit zum einkaufen fährt, darf er sagen wo wir einkaufen. Er darf auch jederzeit sagen, „jetzt reicht es mir“, dann darf er sofort ohne Diskussion oder fragen, ins Auto gehen oder wir fahren alle sofort zurück. Dies hilft ihm sich zu trauen neues auszuprobieren. Manchmal müssen wir Neues mehrmals ausprobieren, bis es entspannt klappt, aber dies lohnt sich doch.
Also immer die Ausrichtung, wir passen uns ihm an, nicht er ständig uns. Dabei bleiben ja doch auch immer noch genügend Dinge über, wo er sich anpassen muss. Nur jeder Moment, den er einfach entspannt bleiben kann, spart Energie und dies kommt dann doch wieder allen zu gute. Seitdem wir immer mehr streichen von den Sachen, die ihn stressen, hat er endlich wieder Energie über und fängt nun von sich aus an, neues auszuprobieren. Ja, wir passen an so mancher Stelle nicht mehr ins Raster, fallen auf und viele fragen sich,-“ müssten die nicht mal…“? Nein, wir müssen nicht, denn wir leben unsere Leben und du deins. Woher solltest du also besser wissen, was für uns gut und passend ist. Ich möchte dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft glücklich und entspannt leben können, dies klappt aber nicht mit ständigem Stress. Wir alle müssen lernen die Welt aus Sicht des anderen zu sehen, da viele aber nicht selber Autisten sind, können sie dies nicht so leicht. Da hilft es dann zuzuhören und Ihnen zu glauben, was sie sagen und dann den Alltag darauf auszurichten und nicht auf,-“ das machen aber doch alle so“!
Wir sind ja (schon) einzigartig, wundervoll und liebenswert, einfach so, so wie jeder ist. Wir müssen nicht umtrainiert werden, lernen uns anzupassen oder wenigstens nicht aufzufallen…..
Wie immer stimme ich dir in Teilen absolut zu. Bei uns läuft es ähnlich und wir haben auch ziemlich identische Probleme und Streitfälle (Schuhe, Kleidung – ist hier identisch).
Ein paar Aspekte bewerten wir für uns aber etwas anders.
Überall da, wo es andere nicht einschränkt oder beeinträchtigt, muss sich niemand anpassen – glasklar.
Wir haben hier ja wie gesagt auch das Kleidungsproblem, aber ab einem gewissen Alter haben wir unserem Jungen auch gesagt „es gibt bei bestimmten Anlässen gesellschaftliche Konventionen, an die du dich bitte hältst, oder du bleibst weg“. Denn dort stört es dann andere tatsächlich (und uns auch). So umgeht man das Anpassen notfalls auch.
Ich sehe dieses Thema Anpassung als Näherung beider Seiten, insbesondere, wenn die Aspie-Kinder älter werden und sich der Volljährigkeit nähern. Niemand sollte sich so verbiegen, dass es der Gesundheit schadet durch ständige Überforderung und ständigen Druck. Aber ich möchte bei mir und auch bei meinem Stiefsohn vermeiden, dass er sich darauf ausruht. So wie „wir“ uns nicht anpassen müssen, muss es auch die Gesellschaft nicht. Und letztere wird es auch nicht. Die Welt da draußen wartet nicht auf uns – sie wartet auf niemanden – normal oder anders. Jeder Mensch ist besonders – für seine Lieben, nicht für den Rest der Welt.
Ich denke, Ziel einer jeglichen Erziehung ist, die Kinder auf „die Welt da draußen“ vorzubereiten. Generell immer gehört dazu, dass man sich da draußen beweisen muss, dass man eben für die anderen Menschen nur ein weiterer anderer Mensch und beliebig austauschbar ist. Bei Aspie-Kindern gehört m.E. weiterhin dazu, die eigenen Belastungsgrenzen kennen zu lernen und sie schon kommen zu sehen. So kann man sich dann selbst schützen und lernen, nicht aufzufallen (denn wir Aspies her möchten tatsächlich nicht auffallen und zu wissen, dass wir es tun, belastet uns dann auch wieder), ohne sich selbst zu überlasten.
Ich finde es super, wie ihr das angeht 👍🏻
Mir gelingt es selber noch nicht so, dass ich meine Schwierigkeiten alle kenne, reflektiert habe und beschreiben kann. Da bin ich dran. Und durch das Mitteilen anderer – wie euch hier – gelingt mir das nach und nach.
LikeLike
Danke für deine Antwort 😀.
Ja, er war ein Weg, bis wir da angekommen sind so „cool“zu sein und ihn nicht mehr in irgendwelche Kleidung zu zwingen. Er zeiht nur noch Trainingshosen an, da kaufe ich immer wieder neue, damit er „ordentlich „ angezogen ist, wenn wir raus gehen. Aber er dürfte dies auch zu einer Abifeier tragen oder zu einer Beerdigung. Vor ein paar Jahren hätte ich mich gesträubt und ihn gezwungen. Mich dann aber gewundert, dass es ihn noch mehr stresst und nachher schlecht geht. Natürlich nicht nur wegen der Hose, aber von solchen Dingen gibt es ja viele Dinge, die Stressen.
Auch haben wir die Erfahrung gemacht, dass wenn er wirklich die Freiheit von uns bekommt, nach und nach sich selber an manches herantraut und dies ausprobiert. Er hatte sich lange geweigert, mit zum einkaufen zu gehen. Wir ihn ab und zu gezwungen, wenn er neue Kleidung brauchte…
Als wir anfingen offen und ehrlich darüber zu reden, was ihn so stört und stresst, konnten wir einige Punkte ändern. Auch so lösten wir Stress auf und er weiß, dass er in Freiheit entscheiden darf, bzw wir die Dinge versuchen so zu lösen, dass es leichter/besser wird. Seitdem wenden wir dies auch möglichst auf alle Bereiche an.
Bei allen machen wir positive Erfahrungen. Langfristig macht er so mehr mit uns zusammen, mit Freude und entspannt.
Einiges will er aber nicht und dies ist auch ok, bei den meisten Dingen.
Klar gibt es Dinge, da muss er sich entscheiden, entweder er macht es so, wie es erwartet wird oder garnicht. Aber was ist das denn? Nicht viele Dinge.
Wir merken vorallem, seit wir immer mehr in Ruhe gelassen werden und er nicht mehr in die Regelschule muss und auch nicht andauernd noch psychiatertermine oder zu Behörden muss…, er immer entspannter wird, lockerer und auch wieder mehr Energie und Lust für Neues über hat. Er fragt uns, ob wir nochmal zusammen dort hin zum einkaufen fahren können oder eine Show besuchen…. .
Ich denke, wenn die Kinder innerlich zur Ruhe kommen und sich sicher fühlen, wollen sie auch wieder mehr machen. Der Weg zur Ruhe ist aber schwer und macht oft Angst, da man schnell befürchtet oder so manch ein „Fachmann“einem erzählen will, man muss die Kinder zwingen, damit sie das lernen.
Wir haben einfach einen anderen Weg gelernt und positive Erfahrungen gemacht.
LikeLike
Das ist hier ähnlich. Wenn mehr Ruhe da ist, macht unser Junge auch erstaunliche Entwicklungsschritte. Er ist zwar in seinem Verhalten immer noch so seine 3-5 Jahre zurück, aber es wird. Manchmal muss auch nur ein Licht aufgehen.
Ich erinnere mich daran, dass wir ihm am Abend bevor er in die neue Wohngruppe kam gesagt haben, dass es dort Voraussetzung ist, dass er in die angeschlossene Schule geht (Förderschule soziale/emotionale Entwicklung) und dass er da viele Fächer hat. Zuvor hatte er 1,5-2 Jahre Einzelunterricht (4 Stunden pro Woche!) und hat sich angeblich geweigert. Schule war ein rotes Tuch.
Jedenfalls schluckte er und meinte dann „ja, aber ich hatte ja Musik gar nicht und Physik und ich mag keinen Sportunterricht“ bis ich ihm gefragt habe, ob er meint, dass er ohne Schulabschluss irgendwann eine Arbeit findet. „Nein.“ Dann fragte ich, ob er in eine Werkstatt für Behinderte möchte. „NEIN!!“ Gut, sagte ich, „dann musst du einen Schulabschluss machen und dazu gehören festgelegte Fächer. Diese musst du nicht mögen und du musst da auch keine super Noten haben. Aber du musst sie machen.“ Ich erwähnte auch noch, dass er Schule, einige Lehrer, Sport etc doof finden darf und dass niemand – auch wir nicht – alle Fächer und alle Lehrer mag, dass es aber ein notwendiges Übel ist. Doof finden ja , aber trotzdem machen.
Was soll ich sagen – ich sah in seinen Augen förmlich den „Klick“. Er geht seit dem übernächsten Tag jeden Tag von 8-13 Uhr zur Schule (Corona mal ausgenommen), hat teilweise sogar Spaß dran und auch wirklich gute Noten. Er hat eine kleine Klasse, 9./10. übergreifend, 8 Leute, er macht auch AGs mit, usw.
Wir waren erstaunt. Aber ich glaube, das war die notwendige Erkenntnis.
Manchmal kann es echt banal sein, den Druck rauszubekommen, aber der Weg dahin ist manchmal 🙈
LikeLike
Das stimmt😀. Manchmal braucht es einen kleinen „Klick“ damit sich ein knoten löst.
Bei uns klappte es mit der Schule überhaupt nicht mehr, er wurde körperlich immer kränker und war traumatisiert. Aber bei anderen Dingen konnte er auch durch erklären sich noch einmal darauf einlassen und ausprobieren.
Ich merke aber immer mehr, woher noch Zeit braucht oder wo es einfach zu viel ist. Manchmal braucht er nur Zeit, manchmal müssen wir akzeptieren, das er es nicht kann. Dann ist es an uns, dies zu akzeptieren
LikeLike