Die erste Prüfung

Die Zeit vergeht und wir erholen uns alle immer mehr. Die Webindividualschule klappt immer besser, Tom ist entspannt, macht mittlerweile gerne Unterricht.
So hat sein Lehrer entschieden, dass er doch zur Probe im Winter die Prüfung mitschreiben darf. Es ist der 9er Hauptschulabschluss. Eigentlich ist er bald mit dem Stoff der 10 Klasse durch, aber damit er nicht zu sehr überfordert wird, von dem ganzen neuen, wollten wir es so probieren und damit er die Prüfungssituation kennenzulernen kann, mitschreiben.
Es zeigte sich, dass diese Entscheidung sehr gut war, denn es stresste ihn doch sehr, sich vorzustellen, dass er in Bochum mit anderen Kindern die Prüfungen zusammen schreiben sollte. So lange hatte er nun keine Arbeit mehr geschrieben, sich von Schule und allem, was dazu gehört distanziert. Mit anderen Kindern, seines Alters hatt er auch Probleme, da er sie sehr schlecht verstehen kann und die Hänseleien aus der Regelschule, waren auch noch nicht ganz verdaut.
So kamen doch wieder 100 fragen auf, die wir nach und nach versuchten zu erklären oder zu lösen. Fragen wie, „Welche Fächer muss ich schreiben, wie oft muss ich nach Bochum, wieviele Kinder sind da, wieviele erwachsene“? kamen genauso wie, “ was mache ich, wenn ich da weg will, muss ich mit anderen Kindern in einem Raum schreiben, was könnte mich jemand fragen oder, wenn ich nach 15 min fertig gerechnet habe, kann ich dann einfach gehen“? Er machte sich keine Sorgen darum, dass er es fachlich nicht schafft, sondern die ganzen Frage drehen sich ums drum herum. Der Stress, der entsteht, weil alles neu und unbekannt ist, er nicht genau weiß, was passiert oder was wer von ihm will…, dies bereitet Stress.
Also, wie können wir diesen Stress etwas auffangen? Als erstes entschlossen wir uns vorher 1-2x nach Bochum zu fahren, dann kann er seinen Lehrer und die Räumlichkeiten schon einmal live kennenlernen. Wir besprachen mit seinem Lehrer, ob es möglich sei, dass er alle Prüfungen hintereinander schreibt und dabei alleine in einem Zimmer sitzt. Die Schule ist sehr bemüht für jedes Kind möglichst alle Probleme zu lösen, deshalb wurde uns gesagt, dass er alleine oder mit einem anderen Kind in einem Raum schreiben darf und nur sein Lehrer dabei ist. Leider kann er aber nicht mehr als die angesetzte Prüfung für den Tag schreiben, da diese ja von externen Prüfern erst den passenden Tag mitgebracht werden. Da es aber für den 9er Abschluss auch nur 2 Tage Prüfungen sind, wird dies hoffentlich so klappen.
So planten wir den ersten Besuch an der Webschule, der nur ca 15 min lang sein sollte, damit er Tom nicht überfordert. Sein Lehrer war sehr gerne dafür bereit und empfing uns gegen Mittag am Gebäude. Die Schule ist groß und Lichtdurchflutet, alles sehr hell und freundlich gestaltet, noch viel schöner, als wir es von den Bildern schon gedacht haben. Dort können und sollen sich die Lehrer und Besucher wohlfühlen.
Nach einem kleinen Rundgang durch die Schule, sind wir gemeinsam in das Unterrichtszimmer von Toms Lehrer gegangen. Die obere Etage dient hauptsächlich zum unterrichten, dort hat jeder Lehrer seinen eigenen Raum, von wo aus er Skypt und die Kinder betreut. Für Tom war dies alles sehr aufregend, die vielen neuen Eindrücke, sein Lehrer live und nicht genau zu wissen was gleich kommt… . Da wir aber die ganze Zeit dabei waren, klappte es gut. Wir redeten am Anfang einfach, hatten dann das Gespräch auf Fußball gebracht, da unser Junge darüber am besten und liebsten sprechen kann. So wurde er dann auch locker und kam mit ihm ins Gespräch, so war es ein gelungener erster Besuch.
Zwei Wochen später sind wir noch einmal nach Bochum, an diesem Tag hat Tom alleine in dem Zimmer seines Lehrers eine Probe Mathearbeit geschrieben, so wie es zu den echten Prüfungen auch ablaufen soll. Wir durften solange unten im Aufenthaltsraum warten und wurden freundlich von allen begrüßt die durch den Raum huschten. Tom schrieb über eine Stunde, redete in der Zeit einiges mit seinem Lehrer, fühlte sich dort recht wohl und bei ihm auch sicher. Das ist schön, dass er ihm so vertraut. Durch die Besuche konnten so viele Fragen geklärt werden, dass er ruhiger wurde, da er nun wußte, was auf ihn zukommt.
So haben diese Besuche sehr viel positives in ihm bewirkt. Danach konnten die Prüfungen kommen, die er gut bestanden hat. Jetzt kann man entspannt auf die nächsten Prüfungen hinarbeiten.
Ja, es läuft nicht alles so einfach wie bei „normalos“, aber wenn wir uns auf jeden Autisten einstellen, ihn gut vorbereiten, ihm Zeit lassen, die Grenzen akzeptieren und in Ruhe alles angehen, ist sehr viel möglich. Das ganze hat uns 2 Tage Zeit gekostet, Vorbereitung und Nachsorge…, aber es hat sich gelohnt. Tom ist nun noch entspannter mit der Schule, öffnet sich seinem Lehrer gegenüber noch mehr und hat mittlerweile auch wieder mit ihm geskypt, was ja seit dem Lehrerwechsel nicht mehr möglich war. Auch hat er dadurch wieder so viel Selbstvertrauen in sich gewonnen, dass er mit seinem Freund im Kino war und zu einer Veranstaltung eines Comedian mitgegangen ist. Dies war vor einem Jahr noch undenkbar.
Das ganze zeigt uns wieder einmal, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Denn die ganze Prüfung mit Vorbereitung haben wir nur mit der Webschule bzw mit seinem Lehrer so abgesprochen. So war niemand da, der uns sagte, ihr müsst das so machen, der braucht doch nicht vorher nach Bochum reisen, warum kann der nicht mit den anderen Kindern zusammen schreiben… . Wir kennen unser Kind am besten und haben die gesteckten Ziele gut gemeistert. Ich hoffe mal, dass keiner noch jemals darüber meckern wird. Schön, wenn sich endlich alle da raus halten und uns machen lassen.
Aber leider bekommen wir immer wieder von der Seite „Anfragen“, von Leuten die meinen, wir müssten doch mal … machen und uns endlich um … kümmern. Wir dachten doch, es sei nun ein Jahr Ruhe, aber nein …, immer wieder müssen sich andere einmischen und uns sagen, was zu tun ist, damit Tom ein gutes glückliches Leben leben kann. Das alles kostet unnötig viel zu viel Kraft.

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